In unserem Urlaub im Jahr 2000 treffen wir in St.Jean-de-Luz auf ein nettes Pärchen, mit dem wir uns beim Abendessen auf französisch unterhalten. Sie haben viele Urlaube im Ausland verbracht und sind erstaunt, dass wir so viel von ihrem Heimatland kennen. Und tatsächlich, wer bereist schon wie wir ganz Frankreich? Im Sommer und Winter. Fährt dort Ski und Wasserski, Snowboard und Wakeboard? Würden wir die beiden heute noch einmal wiedertreffen, würde ich auf die Frage, was wir schon alles gesehen haben, etwa folgendes zusammentragen:
Alles begann mit dem Französischunterricht und einer Brieffreundin in Compiègne, jener Stadt, in deren Wald das Ende des ersten Weltkriegs besiegelt wurde. Mit 18 habe ich meine erste Reise nach Paris gemacht, incl. aller Sehenswürdigkeiten. Danach folgenten drei Fahrradtouren von Bonn nach Paris auf jeweils unterschiedlichen Wegen, u. a. vorbei an den mit Stahlhelmen versehenen Kilometersteinen der damaligen route nationale N5, Voie Sacrée. Hierzu gibt es mittlerweile aufwändig digitalisierte Tracks.
Ich habe den Wald von Fontainebleau durchstreift und war Gast auf einem Hausboot auf der Seine. In Burgund (Beaune/Côte d'Or) war ich mit meinem Freund Georg eine Woche zur Weinlese, habe mit ihm im Winter in den Schluchten des Tarn und im Frühjahr bei schlechtem Wetter und eiskaltem Wind auf den Höhen des Lubéron gezeltet, wo wir zum Abschluss der Reise die berühmte Quelle der Sorgue (Fontaine de Vaucluse) besucht haben, bei Normalwasser die stärkste Quelle Europas. Wir sind von Lyon bis ans Mittelmeer getrampt, in Polizeikontrollen geraten und von der Autobahn verjagt worden. Wir haben das Viadukt von Montpellier, Aigues-Mortes und die sterile Altstadt von Monaco gesehen und auf dem Kiesstrand von Nizza gehockt. Es folgten Kurzstrecken im Rahmen längerer Radtouren, so die Elsässer Weinstraße, der Col du Bonhomme und die Strecke Strasbourg-Basel durch das Rheintal.
Jahre später habe ich zwei wunderbare Radtouren durch die französischen Alpen gemacht, die erste davon zusammen mit meiner früheren Frau. Galibier, Izoard und Col de la Bonette sind Namen auf diesem Weg. Mit meinem Freund Jörg habe ich das Canyon des Verdon an einem Tag mit dem Rad umrundet, den schaurigen Tunnel des Parpaillon durchzittert, die Hütte Glacier Blanc an der Barre des Ecrins mit Fahrradtaschen erobert und dabei abends am eiskalten Zelt Gouloise ohne Filter geraucht.
Zusammen mit meiner Frau bin ich von Calais über den Kanal nach England gefahren. Wir haben die Bretagne bereist, Hinkelsteine, Camaret und den roten Granit von Perros-Guirec gesehen. Wir haben eine sehr schöne Woche am Strand von Carnac verbracht, von wo aus wir mit dem Vélo die Halbinsel von Quibéron besucht und die Räder die felsige Westküste entlang geschoben haben, stets argwöhnisch beäugt von der oft unnötig arrogant auftretenden französischen Polizei. Die Menhire von Carnac konnten wir zu Fuß von Carnac Plage aus erreichen. Wir haben die Ville Close von Concarneau besucht, an den Stränden von Bénodet (FKK) und Sainte Marine gebadet, Quimper besucht, das Stauwehr des berühmten Gezeitenkraftwerks an der Mündung der Rance passiert, Saint Malo besichtigt und Crêpes gegessen und Cidre getrunken in einem Restaurant auf der mächtigen Stadtmauer mit Blick auf die vorgelagerten Inseln. Unvermeidlich auf der Heimfahrt: Ein Halt am Mont Saint Michel und in Vitré. Reisen ganz im Zeichen alten Gemäuers.
Wir haben Verdun und die Champagne erlebt und an einer Führung durch die Keller von Moët et Chandon teilgenommen. Wir haben Paris besucht und sind 6 Stunden lang durch den Louvre und später durch den Spiegelsaal von Versailles gedappt, haben die wichtigsten Kirchen besucht, einmal der Parade zum Nationalfeiertag am 14. Juli beigewohnt und sind in damals noch futuristisch anmutenden Vorstadtzügen zurück nach Maisse gefahren.
Wir sind der französischen Weinstraße gefolgt, haben Beaune, le Puy und Chambord an der Loire besucht und kleine aber exzellente Restaurants entdeckt, wie das Renouée im oberen Loiretal. In Bidart haben wir am Tisch der Brüder Ibarboure fürstlich gespeist, in Arcachon «Chez Yvette» Austern und Krebse gegessen und auf der Ile d'Oléron über Kiefernnadeln gebackene Muscheln mit billigem Wein aus dem Plastikkanister verdrückt. Wir haben nackt am Südweststrand der Insel gelegen, dem schönsten Strand Frankreichs, haben die Düne von Pilat bestiegen, einen «fliegenden Hirschen» steigen lassen, einer Fischauktion in Royan beigewohnt und eine schwere Sturmflut bei Carcan-Plage überstanden.
Wir haben Bordeaux und Lascaux besucht, die Wälder des Périgord und die Cevennen auf Nebenstraßen durchquert, haben bei Peyrat-le-Château Spuren der Tour de France gefunden, den Gard auf der gleichnamigen Brücke überschritten, die Camarque bereist, auf den Ockerfelsen von Roussillon gestanden, Gordes und les Beaux besichtigt, das Grand Canyon du Verdon im Süden umfahren und auf der Pont de l'Artuby Bungee-Springern zugesehen, wie sie 150 m in die Tiefe stürzen. Wir haben die Schluchten des Verdon vom Couloir Samson bis zur Hütte la Maline durchwandert und weder den 600 m langen und stockfinsteren Tunnel noch die steilen Eisentreppen (Brèche Imbert) gefürchtet. Wir haben den Cirque de Navacelles und die Clue des Barles erlebt, am Lac du Salagou gezeltet und die Gorges du Tarn mit dem Rad durchfahren, wobei wir uns auf dem Rückweg über die Höhen der Causse Méjean die einzigartigen Tropfsteine von Aven Armand ansehen konnten.
Ungeübt aber auch unbeirrbar haben wir eine Fahrt mit dem Kanu auf der Ardèche gemacht, die Stadtmauern von Aigues-Mortes und Carcassonne eingenommen, die Haut Koenigsbourg erobert, die Pyrenäen durchquert, Biarritz besichtigt und zur Entspannung den Strand des Atlantiks bis zur spanischen Grenze ausgekostet. Im Laufe dieser Fahrt habe ich mich auf meine Radtourtradition besonnen und die Pässe Peyresourde, Aspin und den Tourmalet gefahren.
Erst vier Jahre später werden wir wieder nach Süden fahren, diesmal nach Saint Tropez, an den Strand von Pampelonne und nach la Croix-Valmer/Bouillabaise. Wir beenden diese Reise in der Provence, wo wir wieder die Fahrräder auspacken und mich mein Sohn auf den 1700 Höhenmetern Aufstieg zum Mont Ventoux begleitet. Und wieder ein Jahr danach, im Oktober 2005, überqueren wir auf der Autoroute Méridienne das Viaduc de Millau, die höchste Autobrücke der Welt und vielleicht auch die schönste.
Wir haben nachts mit den Rädern abenteuerliche Fahrten über Land unternommen, den 80 l Tank des VW-Busses völlig leer gefahren und Stunden im Schlaraffenland gigantomanischer Carrefour-Märkte verbracht, meist um dort zu tanken, was für Sans Plombe 98 bis zu 10 Cent pro Liter spart, auch wenn 2014 Märkte der Kette Intermarché weitere 5 Cent günstiger sind. Im Sommer übernachten wir auf Campingplätzen und schlafen in einem nicht ausgebauten VW-Bus, verpflegen uns vor Ort, trinken Weine der Region, naschen dazu Kartoffelchips alter (ancienne) Machart und gehen am Abend in den Zentren zum Essen aus. Sicher ist es ein Zufall, aber unser Haussekt kommt seit vielen Jahren aus der Gegend von Crançot (heute Teil der Gemeinde Hauteroche) im Departement Jura (39). 2015 statten wir der Winzergenossenschaft dort einen Besuch ab, nachdem wir zuvor den Cirque de Baume angefahren haben.
Wir haben mitgezittert, als die französische Fußball-Nationalmannschaft Welt- und später Europameister wurde, haben Trezeguet und Zidane bewundert, letzteren wohl auch, weil er so alt aussah und so rotzfrech spielte; seine Tore so spektakulär wie sein Abschied mit Kopfstoß - Vizeweltmeister im deutschen «Sommermärchen», live erlebt in einer Kneipe in le Tréport nach einer Radtour von Bonn über Düsseldorf an die Kanalküste.
Unvergessen auch der kurze Urlaub im Herbst 2014, der ganz Frankreich in eine Regendecke gehüllt sieht. Ganz Frankreich? Nein, tatsächlich gibt es einen Streifen mit uneingeschränktem Sonnenschein entlang der Côte d'Azur, mit besonders milden Nächten um le Lavandou. Ich nutze das warme Meer mit seinen 23°C um Wasserski und Wakeboard fahren zu lernen. Auf der Rückfahrt machen wir Halt in Port Grimaud und Saint Tropez und werfen nach fast sechs Stunden Fahrt auf abenteuerlich kleinen Straßen am Lac de Serre Ponçon einen Blick auf die Demoiselles Coiffées.
Unseren Weg an die Südküste dehnen wir oft aus und besuchen unsere Freunde nahe Paris, was uns auf den Abenteuerspielplatz Atout Branches führt, zu Sehenswürdigkeiten wie Guedélon oder uns neue Eindrücke aus le Pui en Velais beschert. Wir sehen Toul, Nevers und Aubenas und schauen von oben in die Schluchten der Ardèche. Wenn wir weniger Zeit haben, wählen wir die Route durch das Elsass. Unser Rückweg führt entlang des Lac du Bourget und durch die Schweiz, aber auch über Lyon und Dole nach Mülhausen. Selbst im Corona-Sommer 2020 sind wir im Süden, allerdings begünstigt durch die Immunität einer gut überstandenen Covid-19 Infektion.
Das alles wäre nicht komplett ohne den Winter: Mit dem Ski-Club Bingen haben wir mehrere Winterurlaube in den großen Skiorten der französischen Alpen verbracht. Wir haben die Chavanette von Avoriaz und vom Pic Blanc (Alpe d'Huez) aus die Piste le Tunnel gefahren und haben die wahre Länge der Sarenne vermessen. Wir haben den Eispavillon im Gletscher von les Deux-Alpes besucht, Snowboard fahren in Flaine gelernt, in einem Atemzug die Silène, la Sache und die Face Olympique de Bellevarde von Val d'Isère gefahren und das mit Abstand größte zusammenhängende Skigebiet der Alpen, die endlosen Täler der Trois Vallées, bei denkbar bestem Wetter erlebt. Hier hatte ich 2013 mit 84 Pistenkilometern und 14.000 Höhenmetern Abfahrt auch den bis dahin längsten Skitag überhaupt. Dieser Rekord wird vier Jahre Bestand haben. Und ein Jahr später stehe ich an jener Stelle, an der sich wenige Tage zuvor das Leben des Michael Schumacher so abrupt änderte.
Eine selbst organisierte Reise führt uns in das Doppelskigebiet Paradiski (Les Arcs/la Plagne), wo wir unser Quartier in unmittelbarer Nähe des Vanoise Express aufschlagen und zum ersten Mal in einem französischen Gebiet die Pisten mittels GPS vermessen. In den Folgejahren führen uns Fahrten noch einige Male in die großen Skigebiete der Tarantaise sowie einmal in das eher unbekannte Gebiet Galibier-Thabor. Großartig auch der Winterurlaub in Châtel, einem von Chalets geprägten, eher beschaulichen Ort in den weitläufigen Portes du Soleil, sowie die Woche in Megève, dem drittgrößten Skigebiet Frankreichs, das in Deutschland praktisch niemand kennt.
2020 machen wir eine Skisafari, die uns bis auf 100 km Luftlinie an Nizza heranführt. Wir vermessen la Clusaz, Serre Chevalier, Vars/Risoul und Montgenèvre zusammen mit dem italienischen Sestriere.
Als unbestreitbarer Höhepunkt all dieser Reisen gelten die beiden geführten Touren durch das Vallée Blache von Chamonix sowie ein Nachmittag in la Grave, dem wohl einzigen Skigebiet der Alpen ohne Pisten.
Die Serie unserer Skiurlaube reißt erst im Winter 20/21 durch das Coronavirus.