Frankreich
Route Napoléon
Grasse - Sisteron
Von Nizza kommend kann man über die in den Bergen verlaufende Autobahn nach Aix-en-Provence fahren und von dort nach Norden. Wesentlich spektakulärer ist jedoch die Fahrt über die Route Napoléon, die heute sehr gut ausgebaut und einfach und zügig zu fahren ist.
Der erste größere Ort auf dem Weg ist die Parfümstadt Grasse, der wir einen guten halben Tag widmen. Die Stadt ist an den Berg gebaut und versprüht eher einen recht spröden Charme, der vor allem von seiner an Verfall erinnernden Bausubstanz herrührt. Die Kunstinstallation, die mit rosa Regenschirmen einige Gassen in ein versöhnliches Licht taucht, ist da sehr willkommen.Bei unserm Bummel durch den Ort stellen wir fest, dass Grasse auch ein Zentrum der Schokoladenherstellung ist. So treffen wir u. a. auf eine Chocolaterie, die im Schaufenster einen Schokoladenbrunnen ausstellt, durch den permanent Schokolade fließt. Auch wenn wir die Süßigkeiten wegen der Figur und der hohen Temperaturen nicht anrühren, sehen sie in den Auslagen doch zum Anbeißen gut aus.
Unser Weg durch die Altstadt führt uns an der Kirche vorbei, die mit ihren zugemauerten Fenstern, den Rissen und dem unvollständigen Putz den gleichen morbiden Eindruck macht wie der Ort selbst. Ob die Kirche an die umstehenden Gebäude angebaut wurde oder die Gebäude an die Kirche, lässt sich nicht erkennen. Alles wirkt hier eng und gedrängt, was den großen Höhenunterschieden im Ort geschuldet sein dürfte.
Unter den Parfümherstellern zeichnet sich Fragonard dadurch aus, dass eine Besichtigung des Werks im laufenden Betrieb angeboten wird und es Führungen auch in deutscher Sprache gibt. Dazu kommt ein Museum mit historischen Gerätschaften und Behältnissen für die damals wie heute teure Ware.
Im Laufe der Führung erfahren wir, dass das Parfüm zunächst dafür benutzt wurde, den Lederhandschuhen der Damen der feinen Gesellschaft zu einem erträglichen Geruch zu verhelfen, da die Ledergerbung damals ein schlecht riechendes Produkt hinterließ. Erst später wurde das Parfüm dann auch am Körper benutzt.
Die Führung ist gratis, allerdings erwartet man von den Gästen, dass sie im Shop parfümierte Seife oder ein Parfüm erwerben. Tatsächlich finde ich für mich mit «F!» ein Eau de Toilette, das mir und meiner Frau gut gefällt und das ich später aus Deutschland nachbestelle. Einerseits liegt der Preis etwa bei der Hälfte dessen, was ich für Kuros oder Nino Cerutti ausgebe. Andererseits gibt es den Inhalt in Zylindern aus Aluminium und mit Schraubverschluss. Das erlaubt mir die gewicht- und platzsparende Mitnahme auf dem Fahrrad. Zudem kann ich große Flaschen nachbestellen und in kleine umfüllen.Wir verlassen Grasse gegen halb drei. Die Straße steigt bereits aus dem Ort heraus steil an. Die Route Napoléon führt durch eine spektakuläre Landschaft. Ein Blick auf die alte Straße, wenige Kilometer vor der Passhöhe aufgenommen, lässt eine Ahnung davon aufkommen, welche Anforderungen die Trasse damals an Fuhrwerke gestellt haben muss. Interessant wäre es zu erfahren, ob sie heute mit dem Fahrrad befahren werden kann.
Die frühere N 85 ist heute «departementalisiert» und trägt mal die Nummer D 4085, mal D 6085. Der Ausbauzustand ist tadellos mit nur wenigen Spitzkehren. Immerhin erreicht sie am Col de Valferrière die Höhe 1169 m. Danach fällt sie bis Castellane wieder auf die Höhe 720 m ab. Unterwegs passiert sie sehenswerte aber nicht wirklich aufregende Schluchten, sieht man von der Durchfahrt durch ein Felsloch einmal ab.
Castellane liegt an einem Felsdurchstoß des Verdon, der auf einer Seite einen steilen Felsen stehen gelassen hat, der zum Ort hin fast senkrecht abfällt. Berühmt ist die Kapelle «Notre-Dames-du-Roc», die, wie der Name schon sagt, auf der Spitze dieses Felsens thront, unmittelbar über der Felswand.
Castellane ist sowohl Zugangspunkt für den Lac de Castillon und, von Süden kommend, den Wintersportort Allos, als auch für die Schluchten des Verdon. Hinter dem Ort steigt die Straße erneut steil und in Serpentinen an, um am Col de Lècques mit 1150 m eine weitere große Höhe zu erklimmen. Ab Barrême heißt sie wieder N 85 bis Digne-les-Bains, die Zufahrt zu den Clue des Barles.
Wir lassen Digne rechts liegen und folgen ab Châteauredon der D 17 bis ins Tal der Bléone, 500 m hoch gelegen. Von dort sind es noch 30 km bis Sisteron, das wir kurz nach 17 Uhr erreichen.
Sisteron - Gap - Grenoble
Bob Dylan, der völlig zu Recht wenn auch 40 Jahre zu spät den Literaturnobelpreis bekommen hat, hätte wohl geschrieben: «Route Napoléon revisited». So oft bin ich hier gewesen, mit Autostopp, dem Fahrrad und später mit dem Wagen. 2016 fahre ich die knapp 100 km zwischen Gap und Grenoble mit einem Schnitt von 60 km/h, ohne dass der GPS-Plot mehr als 95 km/h ausweist. Auf den ersten 60 km bis la Mure habe ich keinen Wagen hinter und vor mir. Es ist eine einzigartig entspannte Fahrt durch eine nicht minder großartige Bergwelt.
Die Bilder zeigen Monteynard und den gleichnamigen Stausee von der D 529. Sie ist zugleich die Ausweichstrecke für LKW, denn es gibt eine höchst spektakuläre Abfahrt von la Mure nach Grenoble via N 15: Bei Prairie de la Rencontre geht die Straße in den freien Fall über, der erst nach 7½ km an der Brücke über die Romanche endet. 8,5% im Mittel und 14% im steilsten Abschnitt, lassen mich den Benziner im zweiten, streckenweise im ersten Gang fahren. Diese Passage ist für LKW gesperrt.
Bis la Mure, das einen netten Ortskern besitzt, gepflegt mit viel Blumenschmuck und ganz anders, als ich es von der ersten Radtour in Erinnerung hatte, haben wir die Auffahrt auf den Col Bayard hinter uns gebracht sowie eine lange Fahrt durch Hochtäler mit ständigem auf und ab. Dazu die Senke vor dem Ort bei le Pont Haut, der Auffahrt zum Col d'Ornon. Insgesamt fährt man weit über 1000 Höhenmeter auf einer gut ausgebauten Straße, umgeben von Bergen, die nahe an 3000 m heranreichen. Besonders markant ist der Grande Tête de l'Obiou, der das Panorama bei Corps bestimmt, einem etwas größeren Ort, 25 km vor la Mure. Hier gibt es Hotels und einen kleinen 2-Sterne Campingplatz, les Aires, unweit des Ortszentrums.
Sisteron - Serres - Col de la Croix Haute - Grenoble
Der übliche Weg von Sisteron nach Grenoble dürfte über den Col de la Croix Haute führen, der sehr gut ausgebaut ist und sich ebenfalls durch eine beeindruckende Bergwelt schlängelt. Ein Teil der Strecke ist bereits als Autobahn ausgebaut, wenn auch in der Geschwindigkeit oft reglementiert. Über diesen Pass wird eines Tages der Durchgangsverkehr geführt werden. Diese großartige Straße, die die Höhe 1180 m erklimmt, nutzen wir regelmäßig.