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Es
geht die Sage, dass man auf dem Sessellift an der Chavanette mehr
Skifahrer sieht, die berab fahren als berauf. Das
gilt vielleicht für abends und für bestimmte Tage, wenn die
Buckel vereist sind. Und sicher trägt dazu bei, dass, wenn man
in diesen einen bestimmten Teil des Gebiets fahren will, in das die
Piste führt, man entweder mehrere Lifte fahren muss - oder halt
den einen bergab. Dass die Abfahrt nach Champéry hier vorbei
geht mag ein guter Grund dafür sein, dass weniger versierte Fahrer
diese
Lösung wählen. Immerhin kann niemand behaupten, er sei
zufällig in die Piste geraten, schließlich warnt man davor
mit einem unübersehbar großen Schild. Nur die
Übersetzung ist unpassend: «Schweizer Wand» hätte
mir besser gefallen. Bergsteiger klettern doch keine
«Mauer» hoch!
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Die Chavanette ist eine echte Skiroute,
piste itinéraire, die man
auch bei schlechtem Wetter nicht verfehlen kann. Folgt man dem Lift, so
kann man sich bei allen erdenklichen Bedingungen dort herunterhangeln.
Allerdings dürfte eine vereiste Oberfläche oder heftiger
Neuschnee auch begabte Fahrer auf die Probe stellen - mehr aber auch
nicht. Denn verglichen mit dem
Stockhorn von Zermatt oder
den Buckeln
am
Mont Fort
fällt sie in keiner Weise aus der Rolle. Allein die
Tatsache, dass sie Verbindungscharakter hat und man sich nicht in einer
Sackgasse befindet, in die man mit voller Absicht hinein fährt, weil es spannend ist, unterscheidet sie von den genannten Pisten.
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Andererseits gibt es von diesem Kaliber in den
4Vallées gleich
mehrere
Pisten die Gebietsteile verbinden und gerade die von Chassoure nach
Tortin ist
ja auch nicht ohne! Also fahren wir am zweitschönsten Tag unserer
Reise zur Chavanette, die ich schon so lange fahren wollte und auf die
ich so lange warten musste: «Wir fahren heute zu allererst zur
Chavanette, sonst muss ich mir weitere 18 Jahre anhören, dass Du
sie noch nicht gefahren bist!» lautet die kluge Feststellung
meiner Frau. Und tatsächlich wird das Wetter in diesem Urlaub nie
wieder so, dass wir sie gefahren wären, denn vorsichtig sind wir
schon.
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Der Bonner Generalanzeiger, der ja viel Unfug schreibt, wie jedermann
weiß, hat vor über 15 Jahren eine Reportage über die
Portes du Soleil gemacht und erklärt, dass der «Hubschrauber
über der Chavanette kreise wie der Bussard über dem
Feld» (zumindest sinngemäß). Das ist natürlich
nicht so, auch wenn wir rechtzeitig zur täglichen
Helikopterrettung in der Piste sind. An einigen Stellen ist sie
tatsächlich so steil, dass man Mühe hat, die schwere
Spiegelreflex in Anschlag zu bringen. Der Heli kam übrigens erst
zum Einsatz, als die Bergwacht die Person bereits aus dem schweren Teil der Piste abgefahren hatte.