Zermatt
Adalbert Querkopf über das Lieblingsskigebiet seiner Frau
«Es ist nicht nur das Matterhorn, das alles
überragt...»,
so oder so ähnlich beginnt jede Lobhudelei auf Zermatt. Das
Winterskigebiet,
wohl gemerkt. Wer im Sommer hier hin fährt, der muss jeck sein.
Außer
zum Wandern, natürlich. Aber wer will schon unter
unübersehbaren
Gondelmasten nach Murmeltieren Ausschau halten? Oder Wandern, wenn
einem
die Halbschuhtouristen von oben entgegen kommen, wo man doch schon um
halb
fünf gefrühstückt hat, um die große Höhe zu
erklimmen?
*
Sommerskigebiete haben etwas Bedrückendes an sich. Da sind die
Gestalten,
die nur im Sommer zum Ski fahren fahren können, weil ihre Autos so
tiefgelegt sind, dass sie ohnehin keine Schneeketten auflegen
könnten.
Und außerdem kommt das dem Wasserskifahrer entgegen, der hier
wunderbar
üben kann. Dann sind da die gigantischen
Erschließungsanlagen,
die notwendig sind, das Skigebiet überhaupt zu erreichen.
*
Leider verderben diese Gestalten auch die Preise. Immer mehr wird das
Ski
fahren in Zermatt zu einem Vergnügen für die, die mehr als
besser
verdienen. Über ? 2000 kostet eine Woche Skiurlaub
für eine Familie mit zwei Kindern, ein nicht zu teueres
Appartement
vorausgesetzt, keine Ausgaben für Après-Ski und kein
Mittagessen
auf der Hütte. Der hohe Stand des Schweizer Franken macht
die Sache nicht leichter.
Der nachlassenden Zahl der Touristen und den wirtschaftlichen
Schwierigkeiten
des produzierenden Gewerbes sowie einem unaufhaltsamen Anstieg der
Kosten
im Gesundheitswesen steht ein Anstieg des Wechselkurses gegenüber,
dem nur noch die Engländer gelassen gegenüber stehen. Noch.
Leider.
Denn deren Benehmen und Disziplin ist auch nicht mehr das früherer Zeiten. Aber sie zahlen.
*
Zermatt war bis vor Kurzem ein Skigebiet für seltene Vögel,
sofern
sie nicht des Matterhorns wegen kamen. Da gab es eine Reihe
überlasteter
Beförderungsanlagen, hinauf zum Rothorn, die Gondel zum Schwarzsee
oder nach Furrg oder - fast schon anachronistisch - die
Schleppliftkombination
vom Gant zur Roten Nase. Die Materialbeförderung zwischen der
Roten
Nase und Hohtälli kennt nur noch meine Frau. Dann die
Bahnverladung ab Täsch und die Elektroautos im Ort.
*
Aber irgendwie war das alles extrem originell. Nichts für die
Tussies, die den Kofferraum eines Mercedes brauchen, um das Gepäck
für eine Skiwoche zu transportieren: «Zermatt? Zu
mühsam»,
höre ich sie sagen, diese
Königinnen der Halbtageskarte. Und für die war das Gebiet
auch
nicht gedacht. Das wird sich nun ändern. Die einfachen Teile des
Gebiets
werden ausgebaut, die aufregenden, schweren, herausfordernden,
sportlichen
Teile werden vielleicht bald verschwunden sein. Das Mittelmaß
hält
Einzug und mit ihm die schlechten Manieren beim Anstehen an den
Gondeln.
Meine Kinder schütteln den Kopf über diese unbeholfenen
Gestalten:
«Warum machen die die Gondeln nicht voll? Wir können das
doch
auch!». «Ihr seid auch sehr erwachsen», antworte ich
ihnen. «Wenn sie das Stockhorn schließen, kommen wir
ohnehin nicht mehr her.»