Bergung per Helikopter
Ein Unfallbericht aus dem «Auge des Sturms»
Die «Bachseiten» gehören zu den schwierigeren Streckenabschnitten am Arlberg. Es handelt sich dabei auch nicht im eigentlichen Sinn um Pisten. Und auch nicht um markierte Skirouten. Die Bachseiten sind Teil des großen Angebots an Nebenstrecken, die keine Klassifizierung aufweisen. Meine Frau hat hier und in Zermatt zahlreiche vergleichbar schwere Abschnitte gefahren, aber jetzt hat es zum ersten Mal gekracht. Im Bein. An einem Samstag im Dezember 2012, 15:30 Uhr. Die Skisaison ist da gerade einmal drei Stunden alt.
Ich sehe meine Frau am Abend in der Sportklink Arlberg in Sankt Anton, über die Einheimische sagen, sie gingen dort auch hin. Ihre Bettnachbarin schreckt auf, als ich am Krankenbett berichte, dass ich ein recht ordentlichens Video von der Bergung gedreht habe: «Wie kann man in einem solchen Augenblick ans Filmen denken?».
Fast hätte ich ein Essay über Erwartungshaltungen geschrieben, aber ich bremse mich und stelle nur fest, dass der Satz gegenüber meiner Frau komplett sinnlos ist. Genauso wie der des sehr freundlichen Herrn von der Pistenrettung, der meine Frau mit dem Satz «Sie dürfen ruhig weinen, das tut gut!» überrascht, zumal es da nichts zu weinen gibt und es halt «immer weh tut, wenn man sich verletzt», wie sie so schön zu sagen pflegt. Die Jungs von der Pistenrettung sind gut ausgebildet und fahren auch da mit fremden Skiern unterm Arm lässig ab, wo andere sich beim bloßen Anblick der Steilheit des Geländes erbrechen müssen.
Dass die Rettung hier per Hubschrauber geschieht, ist folgerichtig. Gut auch, wenn man für so eine Form der Bergung versichert ist, denn am Ende belaufen sich die Kosten für den Einsatz des Rettungshubschraubers auf mehr als 2600 Euro. An dieser Stelle ein Kompliment an den ADAC, der mich vor allen anderen Beteiligten vor Ort anrief und der im Rahmen von Schutzbrief und Auslandsreisekrankenversicherung die Kosten übernommen hat. Auch hat die gegenüber der Klinik ausgesprochene Kostenübernahmegarantie dafür gesorgt, dass es keine Diskussion über die Kosten der Behandlung gab und meine Frau ohne weitere Formalitäten operiert werden konnte.
Es ist immer gut, wenn man ein besonderes Ereignis dokumentiert. Nehmen wir an, dass nach einem Jahr alles vergessen sei, dann ist der Triumph über das Schicksal ein wesentlicher Punkt, um sich für die neue Skisaison zu motivieren. Was könnte da besser sein als ein Video vom Einklinken der Rettungstrage in das Seil des Helikopters? Wenn man den kleinen Karabinerhaken sieht und sich überlegt, dass drei Personen daran hängen, sollte einem eher schwindelig werden als beim Anblick einer steilen Skiroute. Und das Video zeigt deutlich, dass der kritische Augenblick der Bergung das Einhaken und Schließen des Karabiners ist. Hier verlieren die Retter nicht einen Sekundenbruchteil. Denn wenn der Karabiner noch offen ist und der Hubschrauber anzieht, hält der Haken die Personen nur so lange, dass sie aus großer Höhe abstürzen.
Besonders fasziniert hat mich die Konstruktion der Rettungstrage. Sie wird durch eine elektrische Luftpumpe, die ein Vakuum erzeugt, in wenigen Sekunden bretthart gemacht. Ebenso erstaunlich ist, dass man unter dem Hubschrauber in einer Art windstillen Zone steht. Während drumherum der Schnee aufwirbelt, ist es unmittelbar darunter eher ruhig. Das Auge des Sturms.
Die Bettnachbarin meiner Frau ist übrigens aus See im Paznauntal nach Sankt Anton gebracht worden. Sie hat sich bei guter Sicht und ohne Fremdeinwirkung auf präparierter, mittelschwerer Piste das Kreuzband gerissen. Ob es besser ist, "nur" das Kreuzband gerissen oder Schien- und Wadenbein gebrochen zu haben, sei hier dahingestellt. Auch ich habe meinen Anteil daran, dass der Klinikchef meine Frau später als «Musterpatientin» bezeichnen wird, denn ich kaufe den gesamten Vorrat an billigem Magerquark im Supermarkt des Ortes auf, damit sie davon entzündungshemmende Umschläge machen kann. An dieser Stelle noch einmal ein herzliches «Dankeschön!» an unsere Vermieterin, Frau Sarlo, die die Rettungsaktion mit tatkräftiger Hilfe und Stoffwindeln für die Quarkumschläge unterstützt hat. Nach wenigen Tagen ist der Fuß auf eine erträgliche Dicke geschrumpft. Dazu trägt neben Zaubersprüchen auch die sich sofort anschließende Physiotherapie bei.
Auf jeden Fall fühlt sich meine Frau in der Klinik gut versorgt. Die Frage: «Hat man Ihre Frau zum Knierzinger gebracht?» werde ich in Sankt Anton noch öfter hören. Und selbst im Intersport in Ischgl treffe ich auf einen sehr hilfsbereiten jungen Mann, der meine gebrochene StepIn-Bindung gegen eine einfache Leihbindung tauscht. Im Gespräch stellt sich heraus, dass er zuvor zwei Jahre am Galzig als Sanitäter gearbeitet hatte: «Mit dem Knierzinger hatten wir viel zu tun!»