Dres­den

Mit ei­nem Au­dio­füh­rer durch die Frau­en­kir­che

DresdenWir ha­ben den klei­nen Ort bei Bin­gen am Rhein um 6:00 Uhr ver­las­sen. Pünkt­lich. Mit zu­neh­men­dem Al­ter braucht man halt nicht mehr so viel Schlaf. Es gibt nur we­ni­ge fes­te Ter­mi­ne um die Frau­en­kir­che als Rei­se­grup­pe zu be­su­chen, da­her ist es rat­sam, den ge­buch­ten Ter­min nicht ver­strei­chen zu las­sen. Um es vor­weg zu schi­cken: Der Be­such in der Frau­en­kir­che ist der ein­zi­ge Akt, in dem die Vor­ur­tei­le vom muf­fi­gen, über­for­der­ten Os­si tat­säch­lich zum Tra­gen kom­men. Hier wird der­art pe­ne­trant auf die Ein­hal­tung der Re­geln ge­ach­tet, dass selbst die für ih­re hu­mor­lo­se Art be­rüch­tig­ten Hilfss­he­riffs an Flughä­fen ge­ra­de­zu wie Ka­ba­ret­tis­ten wir­ken.

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Au­dio­füh­rer ha­ben den Vor­teil, dass Ru­he herrscht. Aber sie sind auch be­son­ders un­per­sön­lich und, wenn sie nicht über ei­ne «Wei­ter»-Tas­te ver­fü­gen, auch ex­trem läs­tig. Wer sich in die Kir­chen­bank hockt und die zahl­lo­sen Tas­ten­kom­bi­na­tio­nen ein­tippt, um die zahl­rei­chen Ein­zelthe­men Re­vue pas­sie­ren zu las­sen, der könn­te auch die Ge­schich­te durch ei­ne Pause-Tas­te un­ter­bre­chen las­sen. Geht aber nicht! Da­bei hät­te man bei vor­ge­se­he­nen und völ­lig aus­rei­chen­den 45 Mi­nu­ten Ge­samt­zeit hin­rei­chend Ge­le­gen­heit, die Sto­ry als Gan­zes ab­zu­spie­len. Denn die Ge­schich­te der Frau­en­kir­che ist span­nend ge­nug.
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Die Kup­pel die­ses 1726  be­gon­ne­nen, pro­tes­te­tan­ti­schen Kir­chen­bau­werks wur­de vie­le Jah­re lang nicht in An­griff ge­nom­men, weil man der küh­nen Kon­struk­ti­on nicht trau­te. Als Holz­dach ge­plant wur­de dar­aus schließ­lich ei­ne der größ­ten Stein­kup­peln über­haupt. Schon in frü­he­ren Krie­gen konn­te sie ih­re Sta­bi­li­tät be­wei­sen, als sie Ka­no­nen­be­schuss trotz­te, wie auch in der Bom­ben­nacht des 13. Fe­bruars 1945, als al­li­ier­te Bom­ber die Stadt in Schutt und Asche leg­ten und mit ihr et­wa 30000 Zi­vi­lis­ten. Kei­ner kennt die ge­naue Zahl, da Dres­den da­mals An­lauf­stel­le für zahl­lo­se Flücht­lin­ge war. Wä­re die Kir­che da­mals leer ge­räumt wor­den, wä­re sie viel­leicht ste­hen ge­blie­ben, denn letzt­lich sorg­ten die Brän­de im In­ne­ren mit Tem­pe­ra­tu­ren über 1000°C für das Nach­ge­ben des Sand­steins und den Ein­sturz der Kup­pel zwei Ta­ge nach dem An­griff.
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Die Zer­stö­rung von Dres­den mit dem Sym­bol der Frau­en­kir­che wur­de zum Sy­no­nym für Kriegs­ver­bre­chen, wie  zu­vor Gu­er­ni­ca und spä­ter My Lai oder Sre­bre­ni­ca. Dass am En­de die ehe­ma­li­gen Kriegs­geg­ner ei­nen we­sent­li­chen An­teil zum Wie­der­auf­bau der Rui­ne leis­ten, lässt die Fra­ge in den Hin­ter­grund tre­ten, ob es nicht wich­ti­ge­re Pro­ble­me gä­be als die­ses. Al­len vor­an hat Co­ven­try den Ge­dan­ken hoch­ge­hal­ten, die Kir­che zu re­stau­rie­ren, je­ne Stadt, de­ren Bom­bar­de­ment durch die Na­zis zu Be­ginn des Krie­ges an sei­nem En­de zu gna­den­lo­sen An­grif­fen der Bri­ten auf deut­sche Städ­te führ­te. Der Mensch liebt Mys­ti­sches; er lebt zwar nicht vom Wort al­lein, aber of­fen­sicht­lich auch nicht al­lein vom Brot.