Saal­bach-Hin­ter­glemm

The Chal­len­ge Day

Saalbach-Hinterglemm, The Challenge

Wir schrei­ben den 12. März 2020, ein denk­wür­di­ger Don­ners­tag. Hin­sicht­lich des Co­ro­na­vi­rus kom­men die Ein­schlä­ge im­mer nä­her. Ita­li­en ist schon so gut wie von der Au­ßen­welt ab­ge­schnit­ten, die Ski­ge­bie­te dort sind ge­schlos­sen. Die Welt von Saal­bach-Hin­ter­glemm ist kei­nes­falls in Ord­nung. Am Tag un­se­rer An­rei­se wird der ers­te Fall pu­bli­ziert. Bis zu die­sem Don­ners­tag glaubt aber je­der, dass nur we­ni­ge Ki­lo­me­ter nörd­lich «kein Grund zur Pa­nik» be­ste­he. Es ist der ers­te wirk­lich schö­ne Tag der Wo­che in Saal­bach (in Zell am See hat­te ich aber auch schon zu­vor bes­se­res Wet­ter).

Um die Ver­bin­dun­gen mit den Nach­bar­ge­bie­ten Fie­ber­brunn und Leo­gang be­kann­ter zu ma­chen, hat sich die für ih­re we­nig ge­schmack­vol­len Ge­schen­ke1 be­kann­te Tou­ris­ten­in­for­ma­ti­on ei­ne Tour aus­ge­dacht, die 32 Lif­te nutzt und (auch nach un­se­ren Mes­sun­gen2) 65 Pis­ten­ki­lo­me­ter lang ist. Be­lohnt wird die Run­de durch ei­nen Email­le­be­cher, an dem man sich den Mund ver­brennt und der so schlecht ver­ar­bei­tet ist, dass ich ihn am Griff schmir­geln muss­te, um mich nicht zu ver­let­zen. Ich hat­te, das ge­be ich zu, auf ei­ne Kera­mik­tas­se ge­hofft.

Saalbach-Hinterglemm, The Challenge Map
Bild­ma­te­ri­al OSM/BKG, Maß­stab ca. 1:200.000, Git­ter­netz­ab­stand 10 km..

Wie dem auch sei: Das ma­le­ri­sche, viel zu war­me Wet­ter führt zu­sam­men mit dem zu­vor ge­fal­le­nen Schnee be­reits sehr früh am Tag zu Sulz­schnee und auf­ge­wühl­ten Pis­ten. Ich star­te pünkt­lich um halb neun an der Schatt­berg­bahn und fah­re die ers­ten Ab­fahr­ten auf wei­chen aber glat­ten Pis­ten. Die Run­de läuft ge­gen den Uhr­zei­ger­sinn und ist mit 7 Stun­den an­ge­ge­ben. Das reicht auch für mit­tel­mä­ßi­ge Ski­fah­rer bei gu­ten Pis­ten­ver­hält­nis­sen, hat man, am Schatt­berg star­tend, doch ma­xi­mal 7¾ Stun­den Zeit, bis der Lim­berg 4er schließt. Der Nach­weis läuft über Ski­line. Ich pas­sie­re die Sper­re des Schön­lei­ten 6er um 9:55, ha­be Leo­gang da­mit ab­ge­hakt und wen­de mich Fie­ber­brunn zu. Um 11:39 Uhr stei­ge ich in die Reck­moos Nord I, die man zur Tal­fahrt nut­zen muss. Lei­der ist Ski­line (oder die Über­mitt­lung der Da­ten an Ski­line) im­mer wie­der un­zu­ver­läs­sig, was man mir an der Kas­se spä­ter auch be­stä­tigt und was im Vor­jahr auch schon in Zer­matt für er­heb­li­chen Wir­bel ge­sorgt hat­te. In die­sem Fall fehlt in den Auf­zeich­nun­gen die Berg­fahrt auf der Ti­rolS II und da­mit 745 Hö­hen­me­ter am End­er­geb­nis so­wie die Mar­kie­rung auf dem Aus­druck, dass al­le Lif­te ge­fah­ren wur­den.

Ich ha­be mir am Mor­gen von un­se­rer Gast­ge­be­rin in der Pen­si­on Ha­ger zwei Schei­ben Voll­korn­brot aus­be­dun­gen, be­legt mit et­was Wurst. Da­zu füh­re ich zwei Li­ter­fla­schen mit Was­ser aus dem Hahn mit, die ich weit­ge­hend lee­re. Bis zur Tal­ab­fahrt vom Spiel­eck 6er fah­re ich al­le Ab­fahr­ten stets oh­ne ei­ne Pau­se, dann for­dert der schwe­re Schnee doch ers­te Op­fer und ich hal­te zwei­mal kurz an. Auch am Zeh­ner 6er macht mir der Schnee zu schaf­fen, aber schon auf der Ab­fahrt zur West­gip­fel­bahn keh­ren die Le­bens­geis­ter wie­der. Um 13:52 re­gis­triert die Sper­re am Lim­berg 4er die letz­te Berg­fahrt. Nach 5¾ Stun­den bin ich mit der Chal­len­ge fer­tig.

Dass die Sta­tis­tik un­voll­stän­dig ist, är­gert mich zwar, aber am En­de gilt ja im­mer nur, was man er­lebt hat. Im die­sem Fall be­deu­tet das, dass ich im Tal an­ge­kom­men gleich wie­der in die Schatt­berg­bahn ein­stei­ge. Der Tag ist mit 12.400 Hö­hen­me­tern ge­fühlt noch nicht zu En­de, ich be­las­se es nicht da­bei. So gibt es am Nach­mit­tag noch ei­ne Af­ter the Chal­len­ge Chal­len­ge, bei der ich mir zum Ziel set­ze, so­vie­le Hö­hen­me­ter wie mög­lich drauf­zu­pa­cken. Der Schatt­berg Nord­hang wird durch die Mit­tel­sta­ti­on der Bahn hin­sicht­lich der Hö­hen­me­ter prak­tisch in zwei glei­che Tei­le ge­teilt. Al­so fah­re ich nur noch ein wei­te­res Mal ab, um mei­ne Frau, die ich an der Berg­sta­ti­on tref­fe, ins Tal zu be­glei­ten, an­sons­ten blei­be ich oben, wo der Schnee sehr viel bes­ser und die Ein­stei­ge­zeit kür­zer ist. Da schwar­ze Pis­ten meist auch die kür­zes­te Pis­ten­ver­bin­dung zwi­schen zwei Punk­ten her­stel­len, kom­men bis zum Be­triebs­schluss der Mit­tel­sta­ti­on um 16:15 Uhr noch ein­mal 5.190 Hö­hen­me­ter hin­zu, ins­ge­samt al­so 17.590. Der GPS-Emp­fän­ger zeigt 80 Pis­ten­ki­lo­me­ter, sehr we­nig ver­gli­chen mit den 120 km von Zer­matt 2017. Mit den Hö­hen­me­tern bin ich zu­frie­den. Und man glaubt mir an der Kas­se auch, dass ich auf der Rück­fahrt von Fie­ber­brunn nicht den Berg hin­auf­ge­lau­fen bin.

Saalbach-Hinterglemm, The Challenge Day

Wer nun meint, die Ge­schich­te sei schon zu En­de, der wird viel­leicht durch die An­ek­do­te am fol­gen­den Tag ei­nes Bes­se­ren be­lehrt. Bei wie­der schlech­tem Wet­ter bin ich er­neut al­lein un­ter­wegs und fah­re nach Leo­gang. In der Stein­berg­bahn tref­fe ich ei­nen jun­den Mann aus Stutt­gart, der mich an­spricht. Ich er­zäh­le von der Chal­len­ge und fan­ge mir so­gleich un­gläu­bi­ges Stau­nen ein: «Bei den gest­ri­gen Schnee­ver­hält­nis­sen kann man das doch gar nicht fah­ren.» Wahr­heits­ge­mäß ant­wor­te ich: «Doch, jun­ger Mann, das geht. Es geht so­gar noch mehr! Und wenn du et­was Zeit hast, zei­ge ich dir auch, wie.» Al­so fah­ren wir an der Bahn er­neut ins Tal und ich de­mons­trie­re, wie man mit eng ge­führ­ten Schu­hen, dem Ober­kör­per stets in der Fall­li­nie, Schräg­la­ge und lan­gen Kur­ven den Sulz­schnee kraft­scho­nend um­pflügt. Am En­de ist er ziem­lich be­geis­tert, auch wenn er dar­an noch viel üben muss. Der An­fang ist ge­macht.


1 Uns kam zu Ohren, dass für 35 Jah­re Treue zu Saal­bach ein Ba­de­man­tel und ei­ne Wärm­fla­sche aus­ge­lobt wird. Hof­fent­lich kann das je­mand glaub­wür­dig de­men­tie­ren.
2 Wie wir nicht mü­de wer­den zu be­to­nen, ist die Ab­fahrt vom Schatt­berg nach Jau­sern ge­nau 4,6 km lang. Da sie of­fi­zi­ell mit 7 km an­ge­ge­ben wird, ist die Chal­len­ge 2,4 km kür­zer. Man kann die Dif­fe­renz durch die blaue Ab­fahrt ent­lang der Reck­moos Süd kom­pen­sie­ren, die et­wa um die­sen Wert län­ger ist als die ro­te, wie das End­er­geb­nis ein­drucks­voll be­weist.