GPS Tempo 100
Rechnen müssen, dass es passt!
Wir schreiben den 19.04.2019. Dieser Tag wird das Verhältnis zu meinem GPS-Empfänger, einem HOLUX GPSport 245, gewaltig trüben. Bisher hatte ich dieses Gerät für einen der besten Datenlogger gehalten, die es im Outdoor Segment zu kaufen gibt, wenn man von der unerträglich zähen Art des Auslesens der Daten absieht, die der RS-232 Emulation auf USB geschuldet ist. Nach 8 Jahren läuft der fest eingebaute Akku immer noch länger als einen Skitag, wobei die Temperatur auch deutlich unter den Gefrierpunkt sinken darf. Großartig auch die Aufzeichnung der Geschwindigkeit, die viel gleichmäßiger erscheint, als die aus der Schrägstrecke zwischen Trackpunkten mittels Differenzenquotient berechnete (blaue Kurve in den Grafiken).
Dann mache ich eine Aufzeichnung der nagelneuen 3S Trockener Steg - Klein Matterhorn. Ein sehr schöner Plot mit einem seltsam ungleichmäßigen Geschwindigkeitsprofil. Die lilafarbene Kurve stellt die vom Empfänger gemessene, im m/s angegebene Geschwindigkeit («Velocity») dar. Man kann die Daten aber auch der GPX-Datei entnehmen, daher die Zahlenwerte, für die Grafiken umgerechnet in km/h.
Misst man die Trasse einer Luftseilbahn, die erst flach beginnt und dann immer steiler wird, fällt es nicht
weiter auf, wenn die Geschwindigkeit gegen Ende nachlässt. Ich hatte das bei der parallel verlaufenden
Pendelbahn bereits bemerkt, es aber der Anfahrt auf die Bergstation zugeschrieben. Luftseilbahnen sind
da sehr flexibel.
Eine 3S hingegen, die einen Zwitter darstellt zwischen Luftseilbahn und Umlaufgondel, kann unterschiedliche Geschwindigkeiten nicht abbilden. Der Verbund muss sich völlig gleichförmig bewegen, sonst kommt er zum Stillstand. Die Bahn wird mit 25 km/h angegeben, der Plot zeigt im ersten Drittel etwa 24 km/h. Deutlich sichtbare Schwankungen ergeben sich nur an Stützen durch Innehalten und Nachschwingen. Die 3S Trockener Steg - Klein Matterhorn hat zwei Stützen, eine bei Kilometer 1 und eine kurz vor der Einfahrt in die Bergstation. Das Geschwindigkeitsprofil zeigt zwei auffällige Stellen, beide vor den Pfeilern, also dort, wo die Steigung am größten ist. Dort fällt die Geschwindigkeit ab, danach befindet sie sich wieder auf dem Mittelwert, sagen wir 24 km/h. Was ist passiert?
Offensichtlich zeigt der HOLUX GPSport 245 nicht die Geschwindigkeit an, mit der man sich im Raum bewegt, sondern nur den horizontalen Anteil, also den Anteil in der Kartenprojektion. Ein Skandal!
In der Ebene fällt dieses Verhalten nicht auf, weil man sich mit dem Auto oder Fahrrad praktisch immer in der Kartenprojektion bewegt. Selbst auf einer der steilsten Straßen, denen Sie begegnen werden, dem Zirler Berg, dem Sie vermutlich «mörderisches Gefälle» konstatieren werden, ist die schräge Strecke, also die Länge des Wegs, über den das Rad abrollt, trotz der 16% Gefälle nur 1% länger als der Weg in der Karte. Damit ist auch der Fehler in der Geschwindigkeit auf Autobahnen1 kleiner als 1%. Weil hier der Tangens zum Tragen kommt, ist selbst ein auf steilen Pisten übliches Gefälle von 30% nur für den Faktor 1,044 (4,4% Wegstrecke) gut.
Mit Hilfe der Tabelle und der im Bild ausgewiesen Steigung, die grüne Kurve ist hierfür maßgeblich, kann man
die tatsächlich gefahrene Geschwindigkeit berechnen. Schleppt man die Nachkommastellen mit sich herum und
rundet erst zuletzt, erhält man aus 26,72 m/s,
einem Umrechnungsfaktor von 3,6 und einer Steigung von ca. 29% sehr genau 100,0 km/h als tatsächlich
gefahrene Geschwindigkeit.
«Musstest Du erst einen Abend lang rechnen, damit Du am Ende sagen kannst, dass Du 100 km/h gefahren bist?» fragt meine Frau. «Ja, leider.» antworte ich lakonisch. Ich bin es gewohnt, mit Kopfschütteln bedacht zu werden. Insbesondere, wenn das Thema in Richtung Instrumentenkunde abdriftet. Dass mich die Unfähigkeit taiwanesischer Ingenieure in diese missliche Lage gebracht hat, interessiert meine Frau eher nicht. Die Firma existiert heute nicht mehr und das Week Rollover Problem führt zu Folgeproblemen. An dem hier geschilderten Verhalten ist HOLUX aber sicher nicht gescheitert.
1 Diese Feststellung ist wichtig, weil ich auf schweizer Autobahnen 120,0 km/h auf GPS fahre. Für die Konstanz dieses Wertes sorgt ein Tempomat, der auch nach starken Steigungen nicht mehr als 1 km/h überzieht.