Côte d'Azur
Die Radtour nach Saint Tropez
Wer diese Geschichte im Detail verstehen will, lese zunächst die Seite über vermurkste Attraktionen, die einen Teilabschnitt der Rückfahrt von Saint Tropez beschreibt, aber schon 6 Jahre zurück liegt. Auf dieser Fahrt treffen wir den genannten Streckenabschnitt wieder.
Ich hatte bisher von Radtouren durch das Hinterland von le Lavandou abgesehen, weil ich die Überlandstraßen für wenig attraktiv halte. Sie sind eng, oft viel befahren und für das Fahrrad damit eine Qual. Schließlich gebe ich mir dann doch einen Stoß und sorge zugleich dafür, dass ich eine hinreichend lange Strecke wähle und damit ich auch etwas vom Land sehe. Dass ich am Ende fast 1200 Höhenmeter fahre, war so nicht geplant. Und auch nicht, dass ich ein weiteres Mal ein vom Feuer zerstörtes Gebiet passiere. Aber der Reihe nach ...
Wie immer schiebe ich das Rad am Camp du Domaine über den Strand, der jetzt eigens dafür einen Teppich bekommen hat, der täglich gekehrt wird. Danach fahre ich auf Nebenstraßen nach la Favière und Bormes-les-Mimosas, wo ich mich auf extrem steilen Straßen verfahre, weil ich glaube, den Ort im Westen umrunden zu können. Letztlich muss ich zurück ins Zentrum und über die D 41 hinauf zum Col du Caguo, 247 m, wo ich in die lichten Wälder des Massif des Maures eintauche.
Wegen der akuten Waldbrandgefahr sind Waldwege wie die hier abzweigende Route forestière des Crêtes unter Androhung hoher Strafen für den Publikumsverkehr gesperrt. Erstmals sehe ich die Höhe der Geldbuße, 135 Euro, unter einem Verkehrsschild vermerkt.
Bis zum Col du Gratteloup, 192 m, der nur für die hier kreuzende D 98 einen Pass darstellt, geht es leicht auf und ab. Auf der kaum zweispurigen Straße nach Collobrières wird ausdrücklich vor Radfahrern gewarnt, was einen deutschen Autofahrer mit einem alten Landrover aber nicht davon abhält, mich an einer unübersichtlichen Stelle zu überholen und zu schneiden. Typen wie diesen, die in ihrer Jugend offensichtlich eine Folge «Daktari» zuviel gesehen haben, empfehle ich, ihre Frauen fahren zu lassen, wenn sie es nicht können.
Ansonsten wäre es Meckern auf hohem Niveau, würde ich mich über den Verkehr auf der Tour beklagen. Die Nebenstraße nach Collobrières ist fast autofrei und nur die Strecken um Saint Tropez selbst sind wegen des hohen Verkehrsaufkommens am frühen Nachmittag nervig, was durch (teilweise abenteuerliche) Radwege oder breite Seitenstreifen abgemildert wird. Dem Col de Babaou, 414 m, folgt eine großartige, 6 km lange Abfahrt, in deren Kurven ich auf den Gegenverkehr achten muss.
Collobrières empfängt mich mit einer großen Tafel am Ortseingang mit den Worten: «2600 Jahre Roséweine». Das ist eine beeindruckend lange Zeit. Ansonsten ist es vielleicht einer der am meisten überschätzten Orte in dieser Region. Nach Erzählungen ist das ein idyllischer Ort, in dem man gut Essen kann. Das mit dem Essen will ich nicht bestreiten. Auch ist die Platanenallee eindrucksvoll und die über den Fluss Réal Collobrier angelegten Erweiterungen der Gastronomie, aber Frankreich verfügt über wesentlich hübschere Ortschaften. Nach einer kurzen Fotopause setze ich meine Reise fort.
Ich hatte nicht erwartet, dass der Pass auf dem Weg nach Grimaud noch einmal die 400er Marke überschreiten würde. Wieder fahre ich auf einer engen Straße durch dichte aber lichte Wälder bergan. Hatten mich bereits am Col de Babaou die ersten Stechfliegen attakiert, so machen sie mir jetzt das Leben schwer, zumal sie durch die ansonsten großartige Odlo-Funktionswäsche hindurchstechen. Ich halte auf offener Strecke an und ziehe ein langärmeliges Hemd darüber.
Trotz der hohen, im Wald schwülen Temperaturen schwitze ich nicht merklich mehr als zuvor, was mich mit der für das Wetter ungewöhnlichen Lösung versöhnt. Und die Stechfliegen bin ich auch los.
Nachdem ich den Col de Taillude, 411 m, hinter mich gebracht habe, geht es nach einem Zwischenanstieg von 50 Höhenmetern hinunter ins Tal. Mit 10 km Länge fällt diese Abfahrt noch länger aus als die erste. Und sie führt mich jetzt durch einen vom Feuer schwer gebeutelten, kahlen Wald.
Von der Straße aus sehe ich die gleichen Bilder, die ich schon auf der Radtour nach Cabasson gesehen hatte, wo es der Feuerwehr offensichtlich gelungen war, einzelne Häuser mitten im Wald vor der Feuersbrunst zu retten. Um mich herum recken verbrannte Bäume ihren schwarzen Äste in den gegen Nachmittag blauer werdenden Himmel.
Ich fotografiere einen stummen Zeugen des Unglücks, einen verbrannten Telegrafenmast. Entlang der Straße sind alle zerstört und werden durch solche aus Eisen ersetzt. An den Baufahrzeugen, die zunächst Löcher in den Boden bohren müssen, komme nur ich mit dem Rad vorbei, die Autofahrer müssen sich gedulden, bis so ein Bohrloch fertig ist. Das verschafft mir erst recht eine autofreie Abfahrt bis nahe Grimaud. Den auf der Abfahrt und in der Ebene von Grimaud spürbaren Gegenwind hatte ich nach dem Wetterbericht erwartet. Ich setze darauf, dass er mich auf der Rückfahrt nach Hause tragen wird.
Bis Saint Tropez sind es auf abwechslungsreicher, später stark befahrener Straße 15 km, die ich für den Namen aber in Kauf nehme. Zwischen Grimaud und Gogolin fahre ich auf einer Nebenstraße durch Weinfelder, danach folgt eine Hauptstraße, zu der es definitiv keine Alternative gibt. Wer Saint Tropez «links liegen» lassen will, kann am Ortsausgang von Gogolin auf die Route de la Mort du Luc abbiegen, die nach 4 km auf die D 559 trifft und die hier beschriebene Radtour um 13 km abkürzt.
Eine besondere Erwähnung gebührt dem Radweg zwischen Gogolin und dem Hafen von Saint Tropez. Er steht in der großartigen Tradition französischer Radwege, die dazu gemacht sind, das Rad von der Straße fernzuhalten, damit der Verkehr schneller fließen kann. Eng, von zahlreichen Einfahrten gesäumt und mit seltsamen Markierungen übersät, hangelt man sich in Richtung Hafen. Kurz davor muss man auf die Straße. Der Verkehr fließt an diesem Nachmittag so zäh, dass ich mit dem Rad deutlich schneller bin. Im Hafen schiebe ich das Rad und mache ein Selfie zur Erinnerung sowie ein Foto für die Beschreibung der Radtour.
Ich mache eine letzte, kurze Rast und verlasse Saint Tropez auf demselben Weg, den ich gekommen bin. Nachdem ich gut 4 km an einer Blechlawine vorbeigefahren bin, überquere ich die Hauptstraße und nehme einen Weg über eine Wiese, der mich auf die Route du Bourrian führt; tatsächlich findet Google-MapsTM hier die mit Abstand beste Lösung für die Rückfahrt über la Croix Valmer.
Der Rückweg zum Camp du Domaine ist fast genau 40 km lang. Etwas mehr als 2 km fahre ich auf dem sehr gut ausgebauten Radweg der D 559, danach treffe ich zum ersten Mal auf die ehemalige Bahntrasse Toulon-Saint Tropez, der ich für 3 km folge. Teile des Anstiegs von gut 100 Höhenmetern führen durch Wald. Linker Hand auf der Höhe liegt das historische Zentrum von Gassin.
In la Croix Valmer trifft man rechtwinklig auf eine der Ortsstraßen und man muss die Augen aufmachen, um der oft kaum erkennbaren Beschilderung nach Cavalaire-sur-Mer folgen zu können. Ich biege also rechts ab, halte mich im Ort etwas oberhalb des Zentrums und treffe am Ende auf den bereits zuvor beschriebenen Weg hinunter zum Meer, jenen weiten Bogen, der die D 559 umfährt und u. a. am Camping Selection vorbei führt. Wenig später erreiche ich das Zentrum von Cavalaire-sur-Mer.
Hinter Cavalaire endet der Radweg urplötzlich auf einer Nebenstraße, was den, der sich nicht auskennt, dazu verleiten könnte, nun auf die viel befahrerene Hauptstraße auszuweichen. Ich biege jedoch nach links ab und ignoriere das Schild «Sackgasse». Letztlich erweisen sich alle heute gesperrten Abschnitte als gut passierbar und ich erreiche ohne Autoverkehr Rayol.
Nach mehr als 6 Jahren ist der Küstenradweg auf dem Abschnitt zwischen Rayol-Canadel-sur-Mer und Pramousquier endlich repariert, und das mit einem Aufwand, der sonst nur an einer Autobahn getrieben wird: Die Felsen sind mit Drahtgeflechten überzogen und die Erdhänge mit Beton verkleidet. Bleibt zu hoffen, dass der Abschnitt Cavalaire-Rayol, dessen Schotterpiste eine Zumutung ist, bald fertiggestellt und wiedereröffnet wird.
Zuletzt noch das Höhenprofil der Tour: