Di­gi­tal­fo­to­gra­fie

Über das En­de der ana­lo­gen Fo­to­gra­fie

Im Ju­ni 2005 wur­de die Fo­tos­aus­rüs­tung, die im we­sent­li­chen aus äl­te­ren ana­lo­gen Ka­me­ras oh­ne Au­to­fo­kus be­stand, um ei­ne Di­gi­tal­ka­me­ra vom Typ Ko­dak DX7590 er­gänzt, die 10fach op­ti­sches Zoom und ma­xi­mal 5 Me­ga­pi­xel Auf­lö­sung auf­weist. Ich be­nutz­te sie al­ler­dings nur mit ei­ner Auf­lö­sung von 4,4 Me­ga­pi­xel, ent­spre­chend ei­nem Fo­to­pa­pier­for­mat von 2:3. Ei­nes der spek­ta­ku­lärs­ten Bil­der mach­te die Ka­me­ra von der Brücke von Mil­lau, mit ma­xi­ma­ler Ver­grö­ße­rung und da­mit et­wa 380 mm Klein­bil­d­ä­qui­va­lent. Auch das Bild der Film­do­se stammt aus ei­ner di­gi­ta­len Au­fah­me.
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Der größ­te Nach­teil der di­gi­ta­len Ka­me­ras war die in­ak­zep­ta­ble Aus­lö­se­ver­zö­ge­rung, die da­zu führt, dass ein be­weg­tes Bild nicht so fest­ge­hal­ten wur­de, wie man es sah. Auf die­se Art und Wei­se ent­stan­den im­mer mehr Bil­der, die «auf Ver­dacht» ge­schos­sen wur­den. Ein meh­re­re Se­kun­den dau­ern­der Start­vor­gang, ein lang­sa­mer Au­to­fo­kus und ei­ne gro­ße La­tenz­zeit vor der Be­lich­tung mach­ten di­gi­ta­le Ka­me­ras zu ei­ner ech­ten Be­las­tungs­pro­be. Ein schwa­cher, ein­ge­bau­ter Blitz tat das Sei­ni­ge, die Bil­der zu schlaf­fen Ab­bil­dern der Wirk­lich­keit ver­kom­men zu las­sen. Da­zu ge­sell­te sich die Un­zu­ver­läs­sig­keit der au­to­ma­ti­schen Scharf­stel­lung un­ter schlech­ten Licht­ver­hält­nis­sen und die Ver­wechs­lung von Vor­der- und Hin­ter­grund, die wit­zi­ge, aber un­strit­tig falsche Er­geb­nis­se her­bei­führ­te. Fehl­auf­nah­men wer­den noch heu­te von den klei­nen Bild­schir­men (Dis­plays) ver­tuscht, die ei­nem ein schar­fes Bild vor­gau­keln, das sich dann be­reits in der 4-fachen Ver­grö­ße­rung als un­er­träg­lich un­scharf her­aus­stell­ten. Die Kon­trast­über­hö­hung, die sich aus der ge­rin­gen Chip­grö­ße und der dar­aus re­sul­tie­ren­den ge­rin­gen Licht­emp­find­lich­keit des ein­zel­nen Pi­xels er­gab, führ­te zum «Ab­sau­fen» der mitt­le­ren Hel­lig­keits­stu­fen und Farb­tö­ne, wie man es frü­her von Dia­po­si­ti­ven kann­te, so­wie zu star­kem Rau­schen bei schlech­ten Licht­ver­hält­nis­sen.
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Im Win­ter lit­ten die Bat­te­ri­en un­ter der Käl­te, aber mei­ne Be­fürch­tung, dass mei­ne Ka­me­ra schon mit­tags ih­ren Dienst ver­sa­gen wür­de, be­stä­tig­te sich nicht. Die Ko­dak DX7590 ar­bei­te­te auch bei Tem­pe­ra­tu­ren un­ter -20°C ein­wand­frei. Ein Zu­satz­ak­ku war den­noch prak­tisch Plicht. Und für ei­ne Ur­laubs­rei­se von 14 Ta­gen wa­ren schon da­mals min­des­tens 1 GB an Spei­cher­platz er­for­der­lich, die man zweck­mä­ßig vor der Rei­se kauf­te, wenn man güns­tig ein­kau­fen woll­te. An­fangs kam auch die Fra­ge auf: «Was kos­tet das di­gi­ta­le Bild?». Aber mit dem kom­plet­ten En­de der ana­lo­gen Fo­to­gra­fie konn­te ich den Ab­schnitt da­zu aus dem Text lö­schen. Und seit ei­ne schnel­le 32 GB Mi­cro-SD nur noch we­ni­ge Euro kos­tet, ist auch das The­me Spei­cher­platz vom Tisch.
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Ab­zü­ge im Heim­la­bor er­schei­nen auf den ers­ten Blick als groß­ar­ti­ge Mög­lich­keit, ei­ni­ge we­ni­ge Bil­der zu Pa­pier zu brin­gen. Lei­der wei­chen hier Theo­rie und Pra­xis von­ein­an­der ab. Denn ganz gleich, ob man Tin­ten­strahl- oder Sub­li­mi­na­ti­ons­dru­cker be­nutzt, je­des Ver­fah­ren ist, um­ge­rech­net auf das ein­zel­ne Bild, teu­er und qua­li­ta­tiv frag­wür­dig. Tin­ten­strah­ler müs­sen Far­ben über- oder dicht ne­ben­ein­an­der auf­tra­gen, er­zeu­gen manch­mal sicht­ba­re Strei­fen­mus­ter, brin­gen sel­ten die Far­be zu Pa­pier, die man auf dem Bild­schirm ge­se­hen hat und trock­nen im schlimms­ten Fall ein, er­for­dern da­her ein ge­wis­ses Maß an stän­di­ger Be­we­gung. Der größ­te Nach­teil al­ler bis­lang be­kann­ten und im Han­del be­find­li­chen Do-It-Your­self Ver­fah­ren ist das Aus­blei­chen der Far­ben mit der Zeit. Da­bei ist das Er­geb­nis stark her­stel­ler­ab­hän­gig, wo­mit Pa­pier, Tin­te und Dru­cker ge­meint ist, und man sich lei­der nicht an gro­ßen Na­men ori­en­tie­ren kann, wie Tests der c't-Redak­ti­on im­mer wie­der zei­gen. Wer An­sprü­che an na­tür­li­che Far­ben und ei­ne zu­ver­läs­sig ho­he Be­stän­dig­keit der Pa­pier­fo­tos hat, kommt um Ab­zü­ge im Fo­to­la­bor oder ein Fo­to­buch kaum um­hin.
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Der größ­te Vor­teil der di­gi­ta­len Fo­to­gra­fie liegt si­cher­lich in der Tat­sa­che be­grün­det, dass vie­le Bil­der nie das Licht der Welt er­bli­cken wer­den. Wer kei­nen «Blick für Bil­der» hat, wird auch nicht da­durch un­ter­stützt, dass er un­zäh­li­ge Fo­tos weg­wer­fen kann, oh­ne ei­nen Cent für Ab­zü­ge be­zah­len zu müs­sen. Wur­den frü­her 36 sinn­lo­se Bil­der oh­ne Aus­sa­ge und Erin­ne­rungs­wert ge­macht, so wer­den heu­te ver­mut­lich 360 auf die Fest­plat­te ver­bannt - und zum Glück nie ab­ge­zo­gen. «Bil­der, die die Welt nicht braucht» wur­den im­mer schon ge­macht, in di­gi­ta­len Zei­ten aber in ei­nem bis­her nicht ge­kann­ten Aus­maß. Trost ist na­he: Beim nächs­ten Plat­ten­crash oder dem An­griff ei­nes Ver­schlüs­se­lungs­tro­ja­ners ist die Les­bar­keit der di­gi­ta­len Me­di­en oh­ne­hin nicht mehr ga­ran­tiert.