Grindelwald/Wengen/Mürren
Lauberhorn live, eine rassige Abfahrt
«Lauberhorn live» warben früher die Lift- und Pistenpläne und die über
die Strecke gespannten Banner und meinten damit die Tatsache, dass man
der Strecke aus dem Starthäuschen heraus über Russisprung, Hundschopf
und Hanneggschuss bis in den bei eisigen Verhältnissen atemberaubenden
Zielhang folgen kann. Das ist auch heute noch so, daher behalte ich die
Bezeichnung, die uns viele Jahre begleitet hat, hier bei.
Zubringerlifte sind Lauberhorn und Wixi.
Natürlich hat niemand die Bezeichnung wörtlich genommen, denn für das
Lauberhornrennen, für das die Piste aktiv vereist wird, gelten andere
Regeln als für die Wochen mit frischem, griffigem Schnee. Außerdem muss
man damit rechnen, dass das Starthaus für lokale Renn- und Trainingsfahrten
benötigt wird und gesperrt ist. Für diesen Fall gibt es eine Umfahrung
etwas unterhalb der eigentlichen Strecke.
Was man aber durchaus wörtlich nehmen darf sind die Zahlenwerte, für die Lauberhornabfahrt steht. Sie ist mit 4,3 km die längste Strecke im Abfahrtssport der Herrn und sehr anspruchsvoll. Der Sieger des Jahres 2010, Carlo Janka, brauchte 2:23:23. Es ist auch die einzige Abfahrt, auf der man die Crème de la Crème Pflugbogen fahren sieht, und zwar auf dem schmalen Ziehweg bevor es links heruntergeht zur Bahnunterquerung.
Hat man die ersten, mäßig steilen Passagen hinter sich, auf für das
Snowboard unschön hängender Piste, folgt der Hundschopf, eine weitere
Engstelle mit anschließendem Steilhang. Nach einer Linkskurve folgt
ein schmaler Weg, von dem man nach rechts in den Hang einfährt. Nach
einer weiteren Rechtskurve, wieder hängend angelegt, kommt man in
das Pflugbogenstück. Wegen der geringen Geschwindigkeit muss
man das als Normalskifahrer aber nicht nachmachen.
Am Hanneggschuss hat man parallel zur eigentlichen Piste eine Messstrecke
präpariert, deren Wert maßgeblich von der Disziplin der Skifahrer abhängt.
Wer hier einen Bogen fährt, ist nicht nur ein Feigling sondern auch ein
Kameradenschwein, denn die Glattheit der Piste ist wesentliche
Voraussetzung für eine schnelle und sichere Fahrt. Schon das sachgemäße
Schussfahren erzeugt in Höhe der Lichtschranke sehr kurze Querrillen,
die ein Snowboard fast zu zerreißen scheinen. Skifahrer haben es leichter.
Noch vor kurzem hieß es, dass noch niemand die Abfahrt gewonnen habe, der am Hanneggschuss nicht mindestens 148 km/h schnell war. Der Skifahrer auf dem Foto von 2009 wird «nur» 90 km/h erreichen. Mein GPS-Empfänger zeigt 2025 115 km/h. Die altbekannte Anzeigetafel ist abgebaut und die neue Anzeige entweder abgeschaltet oder so ungeschickt angebracht, dass ich keinen Wert ablesen kann.
Nach dem Hanneggschuss folgen noch einige wenige Kurven, dann biegt man in einer
Linkskurve in den Zielhang ein, der mit 42° Neigung mächtig steil ist. Wenn der
Schnee aufgewühlt ist, wird es schwierig, den Hang ohne Bögen hinunter zu fahren.
2025 sind die Bedingungen perfekt. Nachdem ich im ersten Anlauf noch zwei Bögen
fahre, stürze ich mich beim zweiten Mal senkrecht hinunter. Da der GPS-Empfänger
nur die horizontale Komponente der Geschwindigkeit misst, der Hang aber fast
100% Gefälle hat, erscheinen die berechneten 95 km/h nicht unrealistisch,
90 km/h sind verbürgt. Das sind Geschwindigkeiten, die man im Auslauf noch gut
auf Null bringen kann.
Eine besondere Herausforderung ist eine non-stopp Fahrt aus dem Starthaus bis ins Ziel. Am Hanneggschuss bleibt man auf der FIS-Abfahrt. Am Zielhang, den man so gut einsehen kann, dass man gestürzte Fahrer nicht «über den Haufen» fahren muss, fährt man Schuss, da man ohnehin keine Zeit hat, die beste Linie zu wählen.