Die Hommingberger Gepardenforelle
Forellen angeln in Schottland
Diese Geschichte verdanke ich meinen Spaß am Trampen durch Großbritannien, der Freude der Schotten an Begleitung auf den langen Fahrten über Land und der Tatsache, dass Angeln und Anglerlatein auf der ganzen Welt eine treue Fangemeinde hat.
Ich lerne John an der Westküste kennen, nachdem ich bereits die Isle of Skye besucht habe, um dort am Old Man of Stor für meinen Vater kleine Steine zu sammeln, die er später zu Hause mit großer Begeisterung unter einer binokularen Prismenlupe betrachten wird. Diese Micromounts können beliebig klein sein. Wie sollte man sie sonst auch transportieren. Sie haben zudem gegenüber dem hier weit verbreiteten Brot den Vorteil, bei gleichem Gewicht nur ein Tausendstel des Volumens einzunehmen.
John hat einen sehr seltsamen Nachnamen: Nigritude. Ultramarine nennt er zudem die kleine Bucht nahe Lower Diabeg, in deren Nähe er wohnt und wo er, wie er sagt, mit großer Begeisterung angelt, wenn ihm der Sinn nicht nach Forellen steht. Es ist eine beschauliche Welt mit weiten Fahrwegen, geschotterten Straßen und altmodischen Telefonverbindungen, die noch an Telegrafenmasten über Land geführt werden und bei jedem zweiten Gewitter ausfallen. Wir schreiben das Jahr 1980. Das Internet ist noch nicht frei verfügbar und Maggy Thatcher hat das Land noch nicht völlig ruiniert.
«Where are you from, Scandinavia?», fragt mich John, als ich in seinen Wagen steige, der schon mehr Rost angesammelt als Meilen gelaufen hat. Mit dem großen Spiel der Lenkung
erinnert mich die Szene an amerikanische Spielfilme aus den fünfziger Jahren. Ich antworte wahrheitsgemäß:
«Deutschland.»
«I saw the backpack, it's a swidish one. If I had known you being from Germany I shouldn't have stopped.»
Damals wie heute haben die Briten den gewonnenen Krieg, in dem sie ein
Weltreich verloren haben, nicht verarbeitet. Ich antworte nicht. Zahlreiche Nächte auf britischen Lastkraftwagen haben mich gelehrt, dass man auf dem Niveau der Sun nicht diskutieren
kann. Vorne prangt ein nackter Busen und auf Seite drei vergleicht man Verhalten und Äußerungen deutscher Politiker mit der unseligen Hitlerzeit. Und wer sieht Kanzler Helmut Schmidt
schon gerne durch den englischen Dreck gezogen. Ich wäre heute ein reicher Mann, hätte ich für jede ähnlich lautende Aussage damals ein Pfund bekommen.
«Where are you from, in Germany?», fragt mich John. Er merkt, dass mich die Aussage nicht wirklich beeindruckt hat.
«Ich komme aus der Hauptstadt», antworte ich mit arger List.
«So you are from Berlin.» Die Briten kennen die Stadt offensichtlich noch aus der Zeit, als sie von ihren Bombern angeflogen wurde, zunächst, um sie zu zerstören,
später um sie gegen den Kommunismus zu verteidigen.
Um die Situation zu retten, zeige ich mich von meiner Schokoladenseite. Ich mache den Schotten das Kompliment, dass man sehr gut trampen könne. Niemand
scheint Angst zu haben. John bestätigt das:
«We don't bother much about strangers. Everything is very smooth up here. You're perfectly safe travelling through the Scottish highlands. The only crime up here is killing people on the road
while being drunk. Maybe, if you drive too fast you lose your bloody license.»
Schließlich fachsimpelen wir über das Angeln. Die Teleskopangelrute außen an meinem Rucksack ist unübersehbar. John will zum Loch Voil, unweit der Trossacs, um Forellen zu fangen. Und da ich zum Wandern in die Gegend will, bleibe ich einfach im Auto sitzen. Loch Voil zähle zu den fischreichsten Seen Schottlands, erzählt John, einsam gelegen und allenfalls von einer back-to-nature Gruppe besucht. Ich kenne den See von meiner Reise im Vorjahr, als ich noch ohne Angel unterwegs war und mich das nackte Volk mit dem Boot übergesetzt hatte. (Im Angesicht des gewöhnungsbedürftigen Essens hatte ich mir vorgenommen, nur noch mit einer Angelrute zurück zu kommen.)
Meine Angelerlaubnis gilt für die Highlands and Islands, was etwa 80% der Fläche abdeckt. Wir sitzen am Loch Voil und lassen Leinen und Seelen baumeln. Als Gegenleistung habe ich mich bereiterklärt, das Benzin für den alten Lieferwagen zu bezahlen. John teilt mit mir, was er hat. Er hat nicht viel, da geht es ihm wie den meisten Schotten. Irgendein Versager von Übersetzer muss früher einmal «arm» mit «geizig» übersetzt haben. Aber der Schotte an sich ist freigiebig, nur dass er nichts zu geben hat. Und so verbringe ich die Nächte im Zelt und John schläft auf dem Boden des Laderaums seines völlig verrosteten Vauxhall.
«Du bist nicht verheiratet, nicht liiert?», frage ich ihn, als wir die das Feuer so weit angefacht haben, dass wir den Fang der letzten Stunden in die Pfanne hauen können.
«Well, Thomas, so many a married man is ruined by his wife», seine Worte kommen langsam und mit dem typischen Singsang der schottischen Westküste, «and those, not married,
are ruined by whisky and beer, you're with me?» Klar bin ich bei ihm, ich sitze ja da. Ich habe ihn verstanden.
«Well, Thomas, I tell you what kind of girl I am looking for. Slim figure, long blonde hair, voluptious tits. That's it!», vertraut mir John an und zwinkert mir dabei vielsagend
zu. Dabei rollt er das "r" in hair als wolle er damit die Wasser des Sees kräuseln. «Fishing for girls like that takes a hook of gold. The only bait they go for is money, tons of
money.» Er schaut schon ein wenig angeschlagen vom Bier. Whisky ist hier einfach viel zu teuer. John tunkt das eklige Weißbrot in das Öl, in dem wir die Forellen gebraten haben.
Er spricht mit vollem Mund:
«I tell you, what my problem is. Listen to me, Thomas, I tell you. Girls are either good-looking or tittiful, but they are very unlikely both.»
Wir sind weit im Norden und es ist lange hell - aber irgendwann wird es dann doch Nacht am Loch Voil. Ich höre John stammeln:
«Maybe tomorrow, tomorrow maybe, we'll catch some extra trout, Hommingberger's cheetah trout.»
Ich suche nach einer Übersetzung, aber das Bier hat John bereits ins Reich der Träume befördert. Morgen werde ich ihn fragen. Morgen.