140 Pis­ten­ki­lo­me­ter

Ein Hö­hen­me­ter­re­kord in Co­ro­na­zei­ten

21. März 2021: Ich bin heil zu­rück aus Zer­matt. Der An­ti­gen-Schnell­test ist er­war­tungs­ge­mäß ne­ga­tiv aus­ge­fal­len, die Qua­ran­tä­ne ist be­en­det, und das Schrei­ben mei­nes Freun­des, des Po­li­zei­prä­si­den­ten von Rhein­land-Pfalz, ha­be ich mit 20 Euro be­ant­wor­tet. Er ist ein treu­er Freund, der nach mir schaut, selbst in ei­ner Nacht, in der ich 140 km weit fah­re, be­vor das ers­te Au­to den ge­müt­lich da­hin­schlei­chen­den VW-Bus über­holt.

Ich schaue zu­rück auf ei­nen der spek­ta­ku­lärs­ten Ski­ur­lau­be al­ler Zei­ten, ge­prägt von sehr tie­fen Tem­pe­ra­tu­ren und gu­tem aber auch stump­fem Schnee. Dass man ei­nes Ta­ges Druck­stel­len nicht an den Fü­ßen son­dern hin­ter den Ohren ha­ben wür­de, vom Auf und Ab der Mas­ken, hät­te man sich vor zwei Jah­ren noch nicht träu­men las­sen.

Am Frühstückstisch Ausgestattet mit ei­nem auch nach elf Mo­na­ten noch üp­pi­gen IgG-Wert von 4,6 U/ml (ab 1,0 U/ml gilt man als im­mun) ma­che ich mich am frü­hen Mor­gen des 5. März al­lein auf den Weg. Ich par­ke preis­wert bei Ta­xi Fre­dy in Täsch und woh­ne sehr zen­tral im Haus FIS na­he der Gor­ner­grat­bahn. Das Zim­mer ist klein aber güns­tig mit ei­nem en­gen Zu­gang zu ei­nem an­sons­ten mo­der­nen, vor al­lem ei­ge­nen Bad. Ich le­be zwei Wo­chen von Müs­li, Tro­cken­fut­ter (Voll­korn­brot) und Rot­wein und nut­ze das sehr schnel­le WLAN für die Vi­deo­ver­bin­dung nach Hau­se. Zu­dem ha­be ich mit Frau Eg­gen-Per­ren ei­ne sehr an­ge­neh­me Gast­ge­be­rin.

Von den Ski­ge­bie­ten, die wir re­gel­mä­ßig be­rei­sen, bie­tet nur die Schweiz in der Sai­son 20/21 Ski fah­ren oh­ne Qua­ran­tä­ne und Test bei der Ein­rei­se an. Nach ei­ner Wo­che stel­len die Berg­bah­nen auf den Früh­lings­fahr­plan um, was er­klärt, warum ich in der ers­ten Wo­che nicht über 18.400 Hö­hen­me­ter hin­aus kom­me. Am En­de der zwei­ten Wo­che samm­le ich an drei Ta­gen 60.000 Hö­hen­me­ter ein, da­bei fah­re ich je­den Tag fast al­le Pis­ten ein­mal ab und er­rei­che am 19. März ei­ne Stre­cken­län­ge von 111 km, mit GPS ver­mes­sen und feh­ler­be­rei­nigt. Nach 15 Ta­gen ist der Durch­schnitt trotz zwei­er Neu­schnee­ta­ge, dem Ab­fah­ren al­ler Ski­rou­ten und der Halb­ta­ges­kar­te zu Be­ginn auf 16.300 ge­stie­gen. Die­sen Wert am letz­ten Tag um 600 zu er­hö­hen ist nicht so ein­fach!

Skiline-Höhenmetergrafik Am 20. März, dem 16. und letz­ten Tag die­ser denk­wür­di­gen Rei­se, er­in­ne­re ich mich dar­an, dass Hö­hen­me­ter­re­kor­de in Zer­matt auf der Rif­fel­berg­bahn ge­fah­ren wer­den. Nach 29 Berg­fahr­ten ha­be ich die Grund­la­gen da­für ge­schaf­fen, die Füh­ren­den in der Dis­zi­plin «Hö­hen­me­ter an ei­nem Tag» ab­zu­lö­sen. Da­bei fah­re ich oh­ne je­de Hek­tik, zwar sehr zü­gig aber oh­ne zu ra­sen, neh­me die Um­fah­rung an Rif­fel­alp, wenn das Schuss­stück über­lau­fen ist, und un­ter­las­se (fast) al­le kri­ti­schen Ma­nö­ver, au­ßer die, bei de­nen der Si­cher­heits­ab­stand von je­nen voll aus­ge­schöpft wird, für die ich ihn ein­ge­rich­tet hat­te. Zu­dem neh­me ich mir die Zeit, den Tag mit ei­nem Sel­fie zu be­gin­nen, auch wenn mich das Er­geb­nis eher an R2-D2 er­in­nert.

Der Autor und seine Ski Dass ich bei solch ge­müt­li­cher Fahrt über­haupt so weit kom­me, ver­dan­ke ich den Ein­schrän­kun­gen auf­grund der Co­ro­na­maß­nah­men. Die 2/3 Be­le­gung der Ka­bi­nen er­for­dert ei­ne schnel­le­re Fahrt zum Ab­trans­port der Gäs­te und er­laubt an­de­rer­seits 5 Per­so­nen in der 8er-Kabi­ne, was ich als Ein­zel­fah­rer zu nut­zen weiß. Zeit­wei­se lau­fen die Gon­deln mit 20 km/h, der Höchst­ge­schwin­dig­keit. Die Rif­fel­berg­bahn fährt das Er­geb­nis al­so fast oh­ne mein Zu­tun her­aus. Und die drän­gends­te Fra­ge muss ich auch noch be­ant­wor­ten: Mei­ne Ski an je­nem Tag sind von Good Schi, Aus­füh­rung belua, de­ren Kan­ten prak­tisch kom­plett her­un­ter­ge­fah­ren sind, da­für aber, an­ders als Ehe­frau­en, je­de Men­ge Feh­ler ver­zei­hen.

An die­sem Sams­tag über­neh­me ich nicht nur die Füh­rung im Klas­se­ment der Ta­ges­hö­hen­me­ter. Zu­gleich schla­ge ich haus­hoch Sven Pis­tor im Bun­des­liga-Tipp­spiel «Al­le ge­gen Pis­tor».

Zwar wird sich 14 Ta­ge spä­ter zei­gen, dass 26.100 Hö­hen­me­ter nicht aus­rei­chen, um die Spit­ze bis zum Sai­son­en­de1 zu ver­tei­di­gen, aber ich er­freue mich erst ein­mal an die­sem Zwi­schen­stand. Ich er­ach­te auch Platz 2 als eh­ren­haft, zu­mal der Sie­ger ein so großes Pen­sum fährt, dass ich ihm auf­rich­tig gön­ne, mich über­holt zu ha­ben. In mei­ner Al­ters­klas­se (56+) ha­be ich ei­nen Ab­stand von mehr als 3.000 Hö­hen­me­tern auf den Zwei­ten. Die ge­fah­re­ne Stre­cke von 140 km (nicht 270 km!) ist da eher ei­ne Rand­no­tiz, wenn auch, ganz klar, ein wei­te­rer per­sön­li­cher Re­kord. Ins­ge­samt kom­men so an 16 Ta­gen 270.000 Hö­hen­me­ter zu­sam­men.