Die Ge­schlech­ter­tür­me von San Gi­mi­gna­no

Im­pres­sio­nen aus dem «Man­hat­ten des Mit­tel­al­ters»

Das «Man­hat­tan des Mit­tel­al­ters», der von vie­len Wehr­tür­men über­rag­te Ort San Gi­mi­gna­no, liegt auf ei­ner An­hö­he und ist so­mit weit­hin sicht­bar. Der Cam­ping­platz, der et­wa 2 km au­ßer­halb der Stadt­mau­ern liegt, er­laubt ei­ne be­que­me An­fahrt mit dem Fahr­rad. Der Ort ist äu­ßerst tou­ris­tisch und be­sticht vor al­lem von Fer­ne durch sei­ne ein­zig­ar­ti­ge Sil­hou­et­te. Frü­her gal­ten die Tür­me mit ih­ren win­zi­gen Fens­tern, die auch als «Ge­schlech­ter­tür­me» be­zeich­net wer­den, als Schutz vor ma­rodie­ren­den Ban­den und kon­kur­rie­ren­den Adels­fa­mi­li­en. In den tos­ka­ni­schen Städ­ten des 12. und 13. Jh.s wa­ren die wehr­haf­ten Tür­me kei­ne Sel­ten­heit. San Gi­ni­gna­no selbst ver­füg­te über 72 sol­cher Tür­me, von de­nen heu­te noch 15 er­hal­ten sind, und die im­mer hö­her in den Him­mel wuch­sen. Die Hö­he der Tür­me wur­de zum Wahr­zei­chen welt­li­cher Macht. Als die sta­ti­schen Mög­lich­kei­ten aus­ge­schöpft schie­nen, wur­de im Jah­re 1255 der Rat­hau­sturm zum höchs­ten Turm der Stadt er­klärt, den kein an­de­rer Turm fort­an über­ra­gen durf­te. In den fol­gen­den Jah­ren ver­lor der Wehr­cha­rak­ter an Be­deu­tung, so­dass vie­le Wehr­tür­me auf­ge­ge­ben wur­den.
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Wäh­rend in Flo­renz und Sie­na sämt­li­che Ge­schlech­ter­tür­me im Lau­fe der Jah­re Plät­zen und Pa­läs­ten wei­chen muss­ten, blie­ben die Tür­me San Gi­mi­gna­nos wohl auch des­halb er­hal­ten, weil die ver­ar­men­de Be­völ­ke­rung sie nicht durch prunk­vol­le­re Bau­ten er­set­zen konn­te. Ab­seits der be­deu­ten­den Han­dels­s­tra­ßen war der Ort über meh­re­re Jahr­hun­der­te von jeg­li­cher Wei­ter­ent­wick­lung aus­ge­schlos­sen. Un­ter­stützt von der UNESCO und ge­för­dert durch den zu­neh­men­den Tou­ris­mus wur­den in den letz­ten Jahr­zehn­ten er­heb­li­che An­stren­gun­gen un­ter­nom­men, um die Bau­sub­stanz vor dem Ver­fall zu ret­ten. Der Ort ge­hört heu­te zu den Haupt­at­trak­tio­nen der To­s­ka­na, und das völ­lig zu Recht.
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Aus dem Gar­ten ei­nes Wein­händ­lers her­aus hat man den viel­leicht schöns­ten Blick aus dem Ort auf den Ort. Und si­cher­lich schlägt bei man­chem In­di­vi­dua­lis­ten das Herz hö­her, wenn er an ei­ne Woh­nung  in ei­nem sol­chen Am­bien­te denkt. So kunst­voll ver­schach­telt bie­ten sich nur die we­nigs­ten Städ­te dem An­blick von Be­su­cher und Be­woh­ner dar. Dass sich hin­ter die­sen al­ten Ge­stei­nen auch sehr gu­te Re­stau­rants ver­ste­cken, ver­steht sich von selbst. Wie­der ein­mal ver­su­chen wir es recht früh am Abend - und wir ha­ben Glück: Der Ba­ede­ker emp­fiehlt ei­ne Os­te­ria, die ei­nen schö­nen Spei­se­saal mit an­ti­ken Ge­wölbe­de­cken be­sit­zen und für ih­ren Schmor­bra­ten be­kannt sein soll. Wie an­tik die Ge­wöl­be nun tat­säch­lich sind, kann ich nicht sa­gen. Das Es­sen ist je­den­falls sehr gut, es zählt zu den ku­li­na­ri­schen Hö­he­punk­ten un­se­rer Rei­se. Wei­te­re Spe­zia­li­tä­ten sind Schin­ken und Sala­mi vom Wild­schwein und preis­ge­krön­tes Eis, das tat­säch­lich bes­ser und bil­li­ger ist als in Flo­renz, so­wie der wei­ße Wein der To­s­ka­na, der Ver­nac­cia.